Die Wasserwerkstatt

Die Wasserwerkstatt ist ein pädagogisches Projekt zur Erkundung komplexer dynamischer Systeme. Das Fließen des Wassers wird dabei untersucht und als Metapher zur Untersuchung anderer Systeme genutzt. Geeignet ist das interdisziplinäre Projekt für Kinder (ab etwa 8 Jahren), Jugendliche und Erwachsene. Diese Werkstatt wurde in der UN-Dekade "Bildung für nachhaltige Entwicklung" mehrfach als offizielles Projekt der Dekade ausgezeichnet.

Diese Werkstatt wurde in der UN-Dekade "Bildung für nachhaltige Entwicklung" (2005 - 2014) mehrfach als offizielles Projekt der Dekade ausgezeichnet.

 

Unter den Titeln "Botschaften vom Bach" und "Forscherwerkstatt" wurden damit multimediale Erkundungen als Klassenfahrten und Projektwochen gestaltet. Je nach Aufwand werden dafür zwei bis fünf Tage benötigt.

 

Ein Unterrichtsprojekt (zum Download) ist bei Lehrer online zu finden.

 

Ein möglicher Ablauf einer Werkstatt ist in mehreren Schritten dargestellt.

1. Gewässeruntersuchung

 

 

Um die Rolle der Strömung für die Ökologie von Fließgewässern zu verstehen, kann mit einer biologischen Gewässergütebestimmung begonnen werden:


Ganz einfach lässt sich die Güte eines Gewässers bestimmen. Dazu wird nicht allzu viel gebraucht: Ein Küchensieb, mehrere Pinsel, ein Glas, eine Lupe und verschiedene, am besten weiße Schalen sowie eine Bestimmungshilfe. Das Verfahren ist ganz einfach: Das Sieb wird in die Strömung des Baches gestellt, davor der Bachgrund etwas aufgewühlt und die Strömung treibt kleine Tiere in das Sieb, wo sie hängen bleiben. Diese werden nun mit einem weichen Pinsel vorsichtig aus dem Sieb genommen und in das mit Wasser gefüllte Glas befördert. Dort lassen sie sich beobachten. Mit der Bestimmungshilfe wird nun festgestellt, um welche Tiere es sich handelt. Viele davon sind Güteanzeiger, das heißt, sie zeigen eine bestimmte Gewässerqualität an. Güteklasse 1 ist die beste, das heißt, der Bach ist sehr sauber. Und Güteklasse 4 bedeutet, dass das Gewässer übermäßig verschmutzt ist. Natürlich werden alle Tiere nach Abschluss der Untersuchung wieder zurück in das Wasser gebracht.

 

Eintagsfliegenlarve
Eintagsfliegenlarve
Köcherfliegenlarven
Köcherfliegenlarven

Aber was messen wir da? Die gefundenen Tiere sind auf eine bestimmte Sauerstoffsättigung des Gewässers angewiesen.
Die Güteklasse I (unbelastet) kommt vor allem im Quellbereich von Gebirgsbächen vor. Ihr Wasser ist sauerstoffreich und nährstoffarm. Güteklasse II (mäßig belastet) ist im Bereich der Mittelgebirgsbäche zu finden. Gewässer der Güteklasse III (stark verschmutzt) enthalten wenig Sauerstoff, solche der Güteklasse IV (übermäßig verschmutzt) enthalten fast keinen bis keinen Sauerstoff mehr. Ob ein Fließgewässer sauber oder verschmutzt ist, hängt vom Gehalt eingebrachter Nährstoffe ab. Diese Nährstoffe werden von Bakterien und Tieren verzehrt, die dabei Sauerstoff verbrauchen und Dünger für Algen produzieren. Je nach Nährstoff- und Sauerstoffgehalt gibt es daher unterschiedliche Lebensgemeinschaften, die einfach zu erkunden sind und Auskunft über die Wasserqualität geben.

2. Strömung beobachten

 

Aber wo kommt der Sauerstoff her? Ein Blick auf den Bach lässt vermuten, dass der Sauerstoff überall da, wo kleine Bläschen zu sehen sind, durch die Bewegung des Wassers in das Gewässer eingetragen werden.

Eine Zeichenübung

Die nächste Aufgabe besteht darin, eine solche Stelle im Bach abzuzeichnen. Dazu wird ein Klemmbrett oder eine feste Zeichenunterlage und ein Bleistift gebraucht. Eine Stelle im Bach wird gesucht und abgezeichnet. Alle diese Stellen können natürlich auch fotografiert werden. Beim Versuch, eine Stelle abzuzeichnen, wird eine erste wichtige Erfahrung gemacht: Es ist nahezu unmöglich, das Fließen abzuzeichnen: das fließende Wasser ändert die Form des Fließens ununterbrochen.

Übung mit Spiegelkacheln

Eine zweite (fotografische) Übung: Spiegelkacheln (in jedem Baumarkt erhältlich) werden in das Wasser gelegt. Je nach Sonnenstand und Perspektive des Fotografen lassen sich damit Wasserbewegungen sichtbar machen und fotografisch festhalten. Wenn noch genug Zeit zur Verfügung steht, können sich noch weitere fotografische Experimente mit den Spiegelkacheln anschließen. Sie können zum Beispiel in Sträucher gelegt werden und den Himmel in das Gebüsch spiegeln. Oder sie werden am Bachufer so aufgestellt, dass sich die Uferpflanzen darin spiegeln.

3. Strömung untersuchen

 

Im Bach gab es mehrere Schwierigkeiten, das Fließen zu beobachten oder gar festzuhalten: Eigentlich ist Wasser nicht sichtbar; wir sehen (bei klarem Wasser) nur die Reflexionen des Lichtes auf der Oberfläche. Die konnten wir mit den Spiegelkacheln sichtbar machen. Aber um den Prozeß des Strömens zu untersuchen, müssen wir ihn in einer künstlichen Anordnung, einer Miniatur, beobachten.

 

Dazu simulieren wir die Strömung in einer Schale, die wir mit Wasser und etwas Kleister füllen. 

Marmorieren

Es gibt eine alte Technik des Papierfärbens: Das Marmorieren. Dabei wird Ölfarbe auf Wasser getropft, mit einem Stöckchen eine Strömung erzeugt, ein Blatt Papier aufgelegt und direkt wieder abgehoben: Ein "Foto" der Strömung ist entstanden. Im folgenden Film wird das Verfahren beschrieben:

 

Eigentlich haben wir es hier mit einem interdisziplinären Verfahren zu tun: Wir sind in einem künstlerischen Prozeß, bei dem Formen erzeugt werden. Die Menge des hinzugegebenen Kleisters bestimmt die Viskosität der Flüssigkeit; damit die Art und Weise, wie die Formen entstehen. Diese Viskosität wird mit der Reynoldszahl bestimmt - wir befinden uns in der Strömungsmechanik und der Strömungsphysik. Eine ideale Wirbelstrasse in Flüssigkeiten wird von dem ungarisch-amerikanischen Physiker Kármán beschrieben.  

In jeder Werkstatt entstehen jetzt eine Vielzahl an Bildern. Von der Wasserwanne scheint eine Faszination auszugehen, möglicherweise, weil der Vorgang ständig neue, oft überraschende Bilder erzeugt. Eine erste philosophische Runde schließt sich an: Alle Beteiligten suchen sich aus der Vielzahl der entstandenen Bilder eines aus. Wir sitzen im Kreis, jede/r hat das schönste Bild vor sich liegen. Nun wird geschaut: was können wir erkennen?

Frage: Was seht Ihr?

 

Ist das ein Alien? Oder eher ein Känguruh? Vielleicht aber auch ein Mensch....

Frage: Und was seht Ihr hier?

 

Ein Gesicht? Zwei Fische?


Alle werden unterschiedliche Dinge sehen, obwohl sie doch jedesmal das gleiche Bild vor Augen haben. Und manchmal ergeben sich neue Bilder, wenn das Blatt gedreht wird. Die philosophische Frage, die hier diskutíert werden kann, betrifft die Frage nach der menschlichen Erkenntnis und nach der Deutung der Bilder. Eigentlich ist da gar keine Figur. Es ist Farbe, die sich auf dem Papier verteilt hat. Menschen aber deuten Bilder auf dem Hintergrund der ihnen bekannten Formen, interpretieren auf der Folie ihrer Kultur oder Vorerfahrungen. Sie sehen etwas als etwas (Anderes). Diese Diskussion können wir ausweiten: Wie nehmen wir Natur wahr? Was von der Welt erkennen wir und was interpretieren wir? Natürlich  ergeben sich je nach Alter der Beteiligten unterschiedliche Fragen. Zwei weitere (gedankliche) Auseinandersetzungen werden damit vorbereitet: Das Denken in Metaphern (siehe dazu die Fotogeschichten) und die Untersuchung von Abläufen mittels Zeitrafferaufnahmen.

Experimente

Versuch mal Folgendes:
Ist es möglich, zwei gleiche Papiere zu erzeugen?
Kann man einen Wirbel an einer bestimmten Stelle des Papieres machen?
Was passiert mit den Bildern, wenn der Anteil des Kleisters im Wasser langsam erhöht wird?

Typisch für komplexe Systeme ist, das sie sich nicht beherrschen lassen. Das führt zu der (philosophischen) Frage: Wer macht das Bild? Wer ist der Verursacher?

 

Neue Formen zusammensetzen

 

Aus einem solchen "Fließbild" lassen sich neue Formen durch klappen, spiegeln und kombinieren zusammenbauen. Einige Beispiele, die aus dem rot markierten Ausschnitt gewonnen wurden: